Interview: Das Erfolgsrezept des KI-Marktplatzes

Der KI-Marktplatz ist im Januar 2020 mit dem Ziel gestartet, ein Ökosystem und eine gleichnamige Plattform für Künstliche Intelligenz (KI) in der Produktentstehung aufzubauen. Was sich im Detail hinter dem Begriff Produktentstehung verbirgt, und warum KI insbesondere in der Produktentstehung von hoher Bedeutung ist, erklärt Marc Foullois, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer-Institut für Entwurfstechnik Mechatronik IEM.

Was ist der KI-Marktplatz?

Im KI-Marktplatz arbeiten wir an einer digitalen Plattform, die KI-Experten, Lösungsanbieter und produzierende Unternehmen zusammenbringt. Diese Plattform wird sukzessive um Funktionalitäten erweitert, mit denen wir eine gemeinsame Entwicklung von KI-Lösungen für die Produktentstehung sowie deren Bereitstellung ermöglichen. Gleichzeitig soll ein Innovationsökosystem aus Stakeholdern für Künstliche Intelligenz in der Produktentstehung aufgebaut werden.

Im KI-Marktplatz bildet die Produktentstehung also einen thematischen Schwerpunkt. Warum?

Das ist für uns absolut naheliegend, da viele Projektpartner, wie das Heinz Nixdorf Institut, prostep ivip, das Fraunhofer IPK und auch das Fraunhofer IEM, langjährige Erfahrung im Bereich der Produktentstehung haben. Allerdings rührt unsere Motivation auch daher, dass die Produktentstehung bis vor kurzem sehr wenig Beachtung in der Forschung im Bereich der Künstlichen Intelligenz gefunden hat. Aus diesem Grund wurde ein starkes Konsortium zusammengestellt, das umfassende Kompetenzen auf dem Gebiet der KI, Produktentstehung und verwandter Bereiche mitbringt.

Wie würden Sie Produktentstehung erklären?

Die Produktentstehung beschreibt alle Tätigkeiten von der Idee eines Produktes bis hin zum Start-of-Production (SoP). Dies schließt unterschiedliche Bereiche, wie die strategische Produktplanung, Produktentwicklung, Dienstleistungsentwicklung und Produktionssystemplanung ein. Darüber hinaus gibt auch noch weitere Querschnittsprozesse wie das PLM oder das Qualitätsmanagement.

Das bedeutet, das Produktentstehung und Produktentwicklung nicht gleichzusetzen sind?

Genau, im Gegensatz zu der Produktentstehung, die wie vorher beschrieben die Tätigkeiten von der Idee bis zum SoP beschreibt, ist die Produktentwicklung als den Teil der Produktentstehung zu verstehen, der die technische Lösung erarbeitet. Die Produktentwicklung wird klassischerweise mit dem V-Modell beschrieben, das einen Vorgehensmodell darstellt. Dies startet Links oben im „V“ mit den Anforderungen an das zu entwickelnde System, gefolgt von den Entwicklungsphasen Systementwurfs, bei der die Konzipierung des Systems vorgenommen wird, de, domänenspezifischen Entwurf, bei der die Erarbeitung in den verschiedenen Disziplinen wie Mechanik, Elektrotechnik und Software erfolgt und der Systemintegration und der Verifikation und Validierung des Systems, an dessen Ende ein vollständig entwickeltes Produkt steht. Die Produktentwicklung stellt dementsprechend einen wesentlichen Teil der Produktentstehung dar, ist ihr aber nicht gleichzusetzen.

Künstliche Intelligenz scheint das Allheilmittel für die Industrie zu sein. Welche Potenziale sehen Sie für die Produktentstehung?

Das kommt auch nicht von ungefähr. Es gibt inzwischen einige Studien, die enorme Potenziale für die Produktentstehung vorhersagen. Reduzierung der Entwicklungskosten um bis zu 15%, Verkürzung der Time-to-market um bis zu 50% und eine Produktivitätssteigerung von 0,8 bis 1,4%, um nur einige der Zahlen zu nennen. Doch diese Studien sind mit Vorsicht zu genießen. Es gilt, konkrete Herausforderungen durch KI-Anwendungen zu lösen oder zu unterstützen und den Mehrwert dieser Anwendungen zu bestimmen. Erst dann können wir evaluieren, ob die Prognosen realistisch sind.

Und wie soll die Künstliche Intelligenz nun in der Produktentstehung umgesetzt werden?

Wichtig ist hier die Kompetenzerweiterung. Wir reden hier von einem Feld, auf dem bisher fast ausschließlichen Forschungsinstitute und Konzerne wie IBM und Google aktiv waren. Unternehmen des produzierenden Gewerbes sollten nicht den Anspruch haben, hier alleine tätig zu werden. Solche Forschungsprojekte wie der KI-Marktplatz bieten Unternehmen die Möglichkeit Erfahrungen mit KI-Anwendungen zu machen. Die Anwendungsbereiche reichen dabei von KI-gestütztem Service Engineering über das automatische Labeling von Video Daten bis hin zu einer KI-gestützten Herstellbarkeitsanalyse. Darüber hinaus bietet sich den Partnern ebenfalls die Möglichkeit Kooperationen für künftige KI-Projekte anzustoßen. Wir streben im KI-Marktplatz ein Ökosystem aus Stakeholdern rund um eine Plattform an, sodass Anbieter und Anwender auch über den Projektrahmen hinaus zusammengebracht werden.

Weitere Experteninterviews gibt es hier:

Ulrich Ahle, FIWARE Foundation
Ruslan Bernijazov, Fraunhofer IEM
Chris Baisch, UNITY AG
Alain Pfouga, prostep ivip

 

 

Das könnte Sie auch interessieren

Nachhaltigkeit und Engineering – passt das zusammen?

Im KI-Marktplatz zeigen wir mit einer neuen Kampagne Stellschrauben für nachhaltigeres Engineering.

system:ability – Systeme von morgen gestalten

system:ability – die technischen Systeme von morgen haben einiges drauf: Sie sind vernetzt, lernen eigenständig dazu und agieren autonom. Und: Sie sind Schlüsselfaktor für eine nachhaltige Wirtschaft und Gesellschaft. Aber …

Hannover Messe 2023

KI und Nachhaltigkeit – das sind die Schwerpunktthemen, mit denen sich OstWestfalenLippe vom 17. bis 21. April auf der Hannover Messe präsentiert. Mit dabei: der KI-Marktplatz im Herzen der Halle 7. 

Künstliche Intelligenz im Engineering – vom Anbieter zum Anwender

Seit drei Jahren forschen und entwickeln 19 Projektpartner im KI-Marktplatz an einer Plattform, die Anbieter:innen und Anwender:innen von KI-Lösungen im Engineering zusammenbringt. Mit den erzielten Ergebnissen unterstützt der KI-Marktplatz bei …

Das Wort Change prangt als weiße Schrift auf schwarzem Grund und spiegelt sich. Es soll den Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Change Management darstellen.

Wie Künstliche Intelligenz das Change Management verbessert

Das Change-Management ist in der Produkt- und Dienstleistungsentwicklung von großer Bedeutung. Künstliche Intelligenz kann dabei helfen, Auswirkungen von Änderungen frühzeitig zu identifizieren und Fehler in der Entwicklung zu vermeiden.

Zwei Personen sitzen vor Dokumenten und analysieren Wettbewerbsdaten.

Effiziente Wettbewerbsanalyse unterstützt von KI

KI kann Unternehmen bei der Durchführung einer kontinuierlichen Wettbewerbsanalyse unterstützen, indem sie die Aufbereitung und Recherche von Daten automatisieren und die Interpretation und Visualisierung von Analysen vereinfachen.

Vier Textmarker sind auf weißem Grund zu sehen. Ein blauer, ein lilaner und ein oranger Textmarker sind geschlossen. Ein pinker Textmarker ist geöffnet.

Systementwurf: Dank KI relevante Infos extrahieren

KI kann beim Systementwurf unterstützen, indem sie relevante Informationen aus Prüf- und Testberichten extrahiert und diese für den aktuellen Systementwurf vorselektiert. Dies führt zu einer Verbesserung des Endprodukts und einer Optimierung der Datenqualität und Dokumentation.

Ein Kabelbaum auf organgem Grund.

Automatisierte Konsistenz im E/E Bereich

Erfahren Sie, wie Künstliche Intelligenz bei der Sicherstellung der Konsistenz von Modellen zwischen OEM und Zulieferern helfen kann und welche Vorteile dies bietet.

Ein abstraktes 3D Modell soll ein CAD-Modell darstellen, das bei der Finite-Elemente-Methode benötigt wird.

KI-Unterstützung in der Finite-Elemente-Methode

Erfahren Sie, wie Künstliche Intelligenz in der Finite-Elemente-Analyse eingesetzt werden kann und welche Vorteile dies für Unternehmen bietet.

Eine Person bedient einen Laptop. Auf dem Bildschirm des Laptop ist ein Daten-Diagramm zu sehen.

Field Quality Analytics: KI hilft Produktqualität sicherzustellen

Field Quality Analytics ist ein Ansatz, um Qualitätsprobleme in Produkten zu erkennen und zu beheben. Dabei kann KI eine Unterstützung sein.

Ein Bild eines Diagramms, das die Verbindungen zwischen verschiedenen Konzepten und Ideen in einem Knowledge-Graph darstellt.

Wie ein KI-basierter Knowledge Graph bei Innovationen unterstützt

Künstliche Intelligenz (KI) kann Unternehmen bei der Entwicklung von Innovationen unterstützen, indem sie die Erstellung und Nutzung von Technology Knowledge Graphs vereinfacht.

Viele Zahlenreihen sind zu sehen, ein Teil der Zahlen ist im Fokus, ein anderer Teil unscharf. Durch die Zahlen sollen die KI-Methoden symbolisiert werden, mit denen Anforderungen strukturiert werden können.

KI-unterstützte Strukturierung von Anforderungen

Künstliche Intelligenz kann bei der Strukturierung von textuellen Anforderungen in der Systementwicklung helfen. Erfahren Sie, welche Methoden zum Einsatz kommen.